Herbstwald: der goldende Oktober

Gelb, Orange, Rot: Der Herbstwald hat für unseren Sehsinn und für unsere Psyche einiges zu bieten. Was in Europa als Altweibersommer oder Goldener Oktober bekannt ist und in bestimmten Gegenden Nordamerikas als Indian Summer vermarktet wird, ist die Folge des Wetterumschwungs am Ende des Sommers.

Indian Summer als Superlativ für Herbstwald

Ich habe den Indian Summer noch nie live erlebt – trotzdem kommt mir dieser Begriff immer als erster in den Sinn, wenn sich hierzulande die Blätter zu verfärben beginnen. Beim Nachforschen ist mir eine Ahnung gekommen, warum das so sein könnte: Der Indian Summer bietet einfach das spektakulärere Farbenspiel im Herbst.

Hier die Insider Infos dazu:

• Interessant finde ich die Tatsache, dass das Phänomen Indian Summer auf Gegenden beschränkt ist, in denen es eine ausgeprägte Kälteperiode im Winter gibt. Für die Blattfärbung braucht es nämlich ganz bestimmte klimatische Voraussetzungen: Ihr Auslöser ist, dass nach dem ersten Nachfrösteln ein ausgedehntes Hochdruckgebiet mit warmen Temperaturen und Sonnenschein kommt.
• So kommt es dazu, dass sich die Farbenpracht auf dem nordamerikanischen Kontinent von Norden nach Süden zieht: Nach den ersten kalten Tagen verfärben sich die Blätter in nördlichen Höhenlagen zuerst – an den Berghängen Kanadas bereits im August. Rein theoretisch können wir in Amerika also mit dem Indian Summer mitreisen – eine schöne Vorstellung, oder?
• Starke Kälte und ein früh einsetzender Nachtfrost beschleunigen die Laubfärbung. Ein warmer und sonniger Spätsommer mit Tagestemperaturen über 20 Grad Celsius dagegen verlangsamt den Prozess. Auf einen „langsamen Prozess“ hoffe ich in „unserem Herbst“ Jahr für Jahr, weil ich diese Jahreszeit so liebe – doch dazu später.
• Was ich so auch nicht wusste: In Amerika zeigt jeder Staat sein eigenes Farbspektrum. Das hängt davon ab, aus welchen Bäumen die Laubwälder zusammengesetzt sind. Anscheinend findet man die intensivste Färbung in Vermont. Dort herrscht der Zucker-Ahorn vor, dessen Blätter sich von grün nach gelb, orange, rot und braun verfärben. Sein leuchtendes Scharlachrot ist einzigartig und in dieser Vielfalt und Leuchtkraft in Europa nicht zu finden.

Herbstwald im Hier und Jetzt

So grandios sich das anhört – ich finde, dass wir auch hierzulande mancherorts mit einem herbstlichen Farbrausch verwöhnt werden. Die landläufige Bezeichnung hierfür – Goldener Oktober oder auch goldener Herbst – bezieht sich auf den goldenen Farbton, der erscheint, wenn gelb-rötliche Sonneneinstrahlung auf die verfärbten Blätter fällt. Und ja, manchmal fühle ich mich gar wie die Goldmarie, wenn ich im Wald bin und Blätter beobachten kann, wie sie sanft nach unten trudeln.

Herbstblätter finde ich in allen Stadien der Verfärbung schön: Als erstes ist es ein freudiger Moment, wenn ich inmitten vom noch grünen Wald den einen oder anderen gelblichen oder rötlichen Tupfer entdecke. Dann kann ich von Tag zu Tag zuschauen, wie die Farbenvielfalt wächst. Beim Schlendern durch den Wald kann ich mich kaum satt sehen. Mit fortschreitendem Herbst kommen noch die Laubberge am Boden dazu: Ich liebe es, durch die raschelnden Blätter zu „schlurfen“. Immer wieder fällt mir ein besonders schön geformtes, schön verfärbtes Exemplar in die Augen, das ich nicht liegenlassen kann.

Sehr schön in Worte gefasst, hat diese Farbenpracht im Herbst bezeichnenderweise ein Maler, Henri de Toulouse-Lautrec (1864-1901): „Der Herbst ist der Frühling des Winters.“

Warum färben sich die Blätter im Herbst überhaupt?

Was für uns so schön zum Betrachten ist, hat seine Ursache in einem für den Baum lebensnotwendigen Vorgang. Um den Winter zu überstehen, muss er den grünen Blattfarbstoff, das Chlorophyll, aus dem Blatt herausziehen und bis zum nächsten Frühjahr in Zweigen, im Stamm und Wurzel aufbewahren. Das Chlorophyll ist für die Photosynthese unabdingbar, es überwiegt im Frühling sowie im Sommer und überdeckt die anderen Farbstoffe.

Durch den langsamen Rückzug des Chlorophylls im Herbst kommen nun die anderen Pigmente voll zur Geltung: Karotinoide (gelbe, orangefarbene und rote Farbstoffe), Xanthophylle (gelb) und Anthocyane (rot, violett, blau) sorgen für die herbstliche Laubfärbung. Braun als Farbe tritt erst beim Absterben des Blattes auf.

Ein weiterer Grund für die Blattverfärbung: Sie schützt vor Sonnenlicht. Blätter sind im Herbst empfindlich und geschwächt. Um trotzdem so lange wie möglich Photosynthese zu betreiben, produziert der Baum den Farbstoff Anthocyanin. Dies lässt die Blätter gelbrot färben und sorgt dafür, dass die Wirkung des Sonnenlichtes abgeschirmt und so das lichtempfindliche Chlorophyll nicht angegriffen wird. Das ist auch mit ein Grund, warum die Farben des Herbstwaldes im Nordosten der USA und in Kanada so vielfältig leuchten. Der Herbst dort ist besonders sonnenreich und die Bäume benötigen daher mehr Sonnenschutz. Bäume hierzulande müssen weniger Farbstoffe produzieren, da es häufiger bewölkt ist.

Wirkung der Farben des Herbstwaldes auf die Psyche

Und nun tauche mit dem Waldbaden in die herbstliche Farbenpracht ein und lasse sie auf dich wirken. So vielfältig, so intensiv, so wunderschön – momentan verliere ich mich am liebsten in der Farbe Rot, sie wirkt auf mich stimulierend; ich habe den Eindruck durch sie nochmal eine Extraportion Energie für den nahenden Winter zu bekommen.

Die Farben des Herbstwaldes wirken unterschiedlich auf unsere Psyche und unseren Körper. Welche Farbe uns gerade anspricht, ist abhängig davon, wie der Tag für uns war.

Welche Herbstfarbe spricht dich momentan beim Waldbaden an?