Gedanken über den Kraftbaum „Eiche“
– plus Interview mit Prof. Dr. Andreas Roloff
Der Kraftbaum „Eiche“: Was kommt dir in den Sinn, wenn du an diese Baumart denkst? Hast du womöglich eine Eiche, die du immer wieder aufsuchst? Wofür steht die Eiche für dich?
Liest du in ihrem Steckbrief nach, dann erfährst du, dass Eichen mehrere hundert Jahre alt werden und eine Höhe bis zu 40 Metern erreichen können. Da sie sehr tief wurzeln, sind sie sehr standhaft. Es gibt rund 300 verschiedene Arten, wobei drei Arten in Deutschland einheimisch sind: die Stiel-, die Traubeneiche (beide häufig) und die Flaumeiche (sehr selten). Eichen sind die zweithäufigste Laubbaumgattung in Deutschland (nach der Rotbuche). Ihre Blätter haben eine charakteristische Form und auch ihre Früchte, die Eicheln, sind unverkennbar.
Wenn ich mir die Frage stelle, was ich mit der Eiche verbinde, dann kommt mir das Stichwort Geborgenheit in den Sinn. Ich denke an die Eiche als ein weises, geduldiges Lebewesen, und sie symbolisiert für mich ein Ruhen in sich. Und so fühle ich mich auch meistens von einer Eiche angezogen, wenn ich einen Ruheort für meine Seele suche. Einen Ort, an dem ich mich mir zuwenden kann. Und ähnlich wie es in der obigen Legende heißt, hilft mir die Eiche wahrzunehmen, ob ich mich mit einer Entscheidung oder Situation stimmig fühle. Vielleicht kennst du ja auch diese Art von „quirliger“ Energie in dir, die dazu führen kann, dass wir vorschnelle Entscheidungen treffen, anstatt dass wir uns die Zeit nehmen, in uns zu spüren. Immer wenn ich diese quirlige Energie wahrnehme, gehe ich zu meinem Kraftbaum „Eiche“. Sie strahlt für mich einfach Ruhe aus – so als würde sie mir sagen „Schlafe nochmal eine Nacht drüber.“
Der Kraftbaum „Eiche“ ist auch Lebensraum für Viele
Die Eiche ist natürlich nicht nur ein Ort für den Menschen – sie bietet auch vielen Tieren einen Lebensraum. Insekten, Vögel, Eichhörnchen, Mäuse … Ihnen allen kann eine Eiche Schutz bieten, Nahrung oder einen Platz zum Brüten. Die Eiche ist also auch einfach ein Baum, der zum Leben einlädt.
Ein Ausschnitt vom Interview mit Baumbiologe Prof. Roloff zum Kraftbaum „Eiche“
In der Interviewserie „Baumwissen aufbauen und vertiefen“ spreche ich mit Prof. Roloff über verschiedene Baumarten und habe mit ihm bereits über die Eiche geredet. Roloff ist ein renommierter Baumbiologe, Forstwissenschaftler und Spezialist für Forstbotanik und Dendrologie, die Lehre von den Bäumen. Seit dem Ende seiner regulären Dienstzeit am Lehrstuhl für Forstbotanik an der Technischen Universität Dresden ist er weiterhin als Seniorprofessor für Forschung in Baumbiologie tätig. Mit dem Interview kannst du dein Wissen von der Eiche vertiefen. Es wäre schön, wenn wir dir damit einen noch achtsameren Blick auf diesen wundervollen Kraftbaum schenken können.
Die Eiche ist für viele Menschen ein Sinnbild für Langlebigkeit sowie Weisheit, und für manche ist es auch ihr Seelenbaum. Als ich Roloff fragte, was ihn mit der Eiche verbindet, sagte er mir, dass auch ihn ihre Langlebigkeit fasziniere. Langlebigkeit können man zwar auch einigen anderen Baumarten zusprechen, aber die Eiche sei da ziemlich weit vorne. „Jeder wird auch schon mal eine alte Eiche gesehen haben“, meint er, „und eine alte Eiche ist einfach etwas anderes als eine alte Birke. Eine alte Birke ist auch etwas Wunderschönes, aber eine alte Eiche ist eine ganz andere Nummer, finde ich.“
Nun wollte ich von ihm genau wissen, wie alt eine Eiche werden kann, und es stellte sich heraus, dass es da keine genauen Altersangaben gibt. Roloff erklärte die Altersfrage mit einem schönen Bild: „Wir teilen die Baumarten grob in drei Schubladen ein. Das erleichtert das Denken über Baumarten enorm – den Umgang mit ihnen und das Verständnis von ihnen.“ In diesem Sinne gehöre die Eiche zu den langlebigen Baumarten, wie zum Beispiel auch der Ginkgo, die Linde und die Eibe. Bei uns habe die Eibe die längste Lebenserwartung, ihr folgen die Eiche sowie die Linde. „Eine Eiche kann 1000 Jahre alt werden“, sagte Roloff, „Aber bei keinem dieser ganz alten Bäume kriegt man das Alter genau heraus, das kann man nur herleiten bzw. abschätzen. Und das ist bei Eichen ganz, ganz spannend.“
Roloff kommt ins Erzählen, ins Schwärmen: „Mit dem Vertiefen in die Geschichte des Baumes wird einem bewusst, was man da bei so einer alten Eiche vor sich hat!“ Er weist darauf hin, dass es ja „Gerichtseichen“ gibt. Das früheste schriftliche Dokument über so einen Gerichtsbaum, unter dem also Gericht abgehalten wurde und an dem Verurteilte auch aufgehängt wurden, stammt von 1368. Diese Eiche steht heute noch und hat auch noch Äste, die zum Aufhängen von Verbrechern benutzt wurden. Das sei möglich, weil die Äste der Eiche hunderte von Jahren, auch wenn sie tot sind, am Baum bleiben. Roloff erklärt auch warum: „Weil die Eiche ja besonders resistentes Holz hat. Das ist einer der Faktoren, die mit dazu beitragen, dass sie dieses Alter schaffen.“
Anhand der Gerichtseiche erläutert Roloff, wie man das Alter eines Baumes einschätzen kann: „1386, das ist ja jetzt schon fast 700 Jahre her. Und da muss diese Eiche schon groß gewesen sein. Und daraus können wir ableiten, dass ein Alter von 800 Jahren schon mal nicht ausreichend ist. Denn dann wäre sie ja 70 Jahre alt gewesen, und das reicht nicht für einen Gerichtsbaum.“ Im Jahr 1386 müsse sie also 200, vielleicht bereits auch 300 Jahre alt gewesen sein.
Als ich das Majestätische einer Eiche zur Sprache brachte – so eine Eiche wird ja so richtig breitstämmig -, kam Roloff noch einmal auf ihre Resistenz zurück: „Die Eiche hat ja ein ganz schweres Holz – das weiß jeder, der schon mal ein Stück Eiche in der Hand hatte. Eiche ist ja ein beliebtes Möbelholz, und so eine Tischplatte, die kann man kaum noch heben, weil sie so schwer ist.“ Wenn das Holz sehr schwer ist, dann ist es sehr dicht, erklärt Roloff, da ist viel Zellwand im Vergleich zu dem Inhalt der Zellen. Und eben das sei einer der Faktoren, der zur Langlebigkeit der Eiche beiträgt. Alleine durch seine Härte besitzt das Holz Widerstand gegen alles Mögliche. Da hat sie schon rein aus ihrer Biologie her den Umständen wie starken Stürmen oder einem Pilzbefall etwas entgegenzusetzen, wo andere Bäume viel mehr Schwierigkeiten haben.“
„Es heißt so schön: Eine Eiche, die kommt 300 Jahre, dann steht sie 300 Jahre, dann geht sie 300 Jahre“, zitiert Roloff. So komme man auf 900 Jahre. Roloff erklärt, dass dieser Spruch bedeute, dass eine Eiche 300 Jahre lang so wachse wie jeder andere Baum. Dann stehe sie da und scheinbar ändere sich nichts mehr. „Wenn man aber Jahr für Jahr hinguckt, was sich da in der Krone verändert – was wir natürlich als Wissenschaftler machen -, da treten Dinge zutage, die ahnt kein Mensch!“
Roloff machte auch klar, dass die Eiche immer gleich groß aussehe – im Alter aber kleiner werde. Da musste ich natürlich nochmal nachhaken, warum sie kleiner werden. Roloff: „Das machen alle alten Bäume, so verkürzen sie die Transportwege für das Wasser aus den Wurzeln in die Krone zu den Blättern und umgekehrt den Transportweg von der Zuckerlösung zu den Wurzeln.“
Nach dem Interview zog es mich zu meiner Eiche, um sie achtsam zu betrachten. Mich zu fragen, wie lange sie schon uns Menschen begleitet. Welche Geschichten sie zu erzählen hat. Und um sie zu umarmen. Auch wenn meine Arme nur die Hälfte des Stammes umschließen können, fühle ich mich dann immer sehr verbunden mit ihr. Ich spüre, wie sich Geborgenheit und Ruhe in meinem Körper ausbreitet und ich beseelt lächle.
Liebe Grüße,
Katharina